North Korea Dance

Glitzernde Revue mit Zwischenstopps

Eun-Me Ahn zu Gast beim schrit_tmacher justDANCE! Festival in Heerlen

von Klaus Dilger

Zu Beginn der Recherchearbeit, die nun als „North Korea Dance“ in den Parkstad Limburg Theaters zu sehen war, stand der Arbeits-Titel „DMZ-Project“, womit die entmilitarisierte Zone gemeint war, jenen Grenzstreifen zwischen Nord- und Südkorea, der seit 1953 nach dem drei Jahre dauernden Koreakrieg eingerichtet wurde und so etwas wie ein neutrales Gebiet darstellen sollte, wenngleich es dort immer wieder zu Zwischenfällen gekommen war.

Eun-Me Ahn gilt in ihrem Land als eine der wichtigsten choreographischen Künstlerinnen, die häufig auch für die extravaganten Kostüme und Bühnenbilder ihrer Stücke verantwortlich zeichnet, die so sehr ihrem eigenen Erscheinungsbild entsprechen. Auch in Europa feierte das Enfant Terrible der Südkoreanischen Tanzszene wichtige Erfolge und war nicht zuletzt seit 2001 immer wieder Gast bei den Festivals von Pina Bausch, mit der sie befreundet war. Ganz aktuell gehört sie zur Jury der „Pina Bausch Fellowship“.

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Das Publikum durfte also gespannt sein auf Eun-Me Ahns Blick auf gemeinsame kulturelle Wurzeln und deren Entwicklungen in einem geteilten Land, ein Blick, der alles andere sein würde und konnte, als neutral. Allein das Thema „North Korea Dance“ dürfte bei den politisch Verantwortlichen ihres Landes mehr als nur Unbehagen ausgelöst haben.

Recherchiert hatte die Künstlerin das choreografische Material, nach eigenen Aussagen, ausschliesslich im Internet, aus Videosequenzen von Militärparaden, Volkstänzen und Propagandaauftritten, die vermutlich von Touristen ins Netz gestellt wurden. Material, das sie bearbeitet und verfremdet hat, ebenso wie die darin zu sehenden Kostüme und Uniformen.

Vieles von diesem Material diente wohl ursprünglich allein dem Zweck, das herrschende Regime und seine Machthaber zu feiern, von denen zumindest Kim Jong-un bildlich präsent sein dürfte mit seinen schrillen und exzentrischen Auftritten.

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Einen Eindruck hiervon bekam das Publikum in Heerlen, das beim Einlass viele dieser Videos zu sehen bekam, ehe der Abend ganz tief in die koreanische Kultur eintauchte und mit einem Kayagum Spiel began, einem traditionellen Instrument aus dem sechsten Jahrhundert, gefolgt von einem Solo der Choreografin, in dem sie einen Tanz von Seung-Hee Choi, ganz in Gold getaucht, interpretierte. Choi war ihr grosses Vorbild und eine der ersten, die koreanische Folklore in eine zeitgenössische Form überführte. Sie hatte sich nach der Teilung Koreas entschieden, im sozialistischen Norden zu leben und ihr weiterer künstlerischer Weg blieb in Südkorea unbekannt.

Anders als bei ihrer Spurensuche nach den tänzerischen Wurzeln Koreas, wie etwa in „Dancing Grandmothers“, als sie in den Provinzen Südkoreas Zeitzeuginnen eingeladen hatte, ihre Tänze zu filmen und sie später sogar auf die Bühne gebracht hatte, war dieser Weg mit Zeitzeugen aus dem Norden Koreas versperrt. Hier tanzende Grossmütter, die sich selbst mit viel Humor und Augenzwinkern betrachten, und dort?

Ahn macht sich zu keinem Zeitpunkt lustig über den „North Korea Dance“, aber wie sie die Tänzerinnen und Tänzer in ihren vergoldeten Uniformen über die Bühne exerzieren lässt, sie anstatt militärisch geerdet mit einer kleinen Akzentverschiebung zumeist hüpfend und schwebend und an Cheerleader erinnernd den bunten Reigen aus Folklore, Akrobatik und Fächertänzen eröffnen lässt, das erinnerte doch so manches Mal an jene Grossmütter, die militärische Ordnung durch altersweise Individualität ersetzten.

Auch wenn der Abend weitgehend wie eine Revue aufgebaut erscheint, mit teils grellen und manchmal kitschig wirkenden Kostümen und einem showhaften Lichtdesign, so gelingt es der Choreografin doch immer wieder Momente zu erzeugen die erahnen lassen, dass es ihr auch ganz ernsthaft um Begegnung, Austausch, Wiedervereinigung zu gehen scheint.

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

„Wir alle zusammen“ erscheint als Übersetzung unter dem koreanischen Schriftzug, nachdem sich die Tänzerinnen und Tänzer an einer virtuellen Grenze aus Licht in vollkommener Stille begegnet waren, aufeinander zugegangen sind und sich die Hände gereicht hatten. Sie beginnen gemeinsam zu tanzen, klatschen in die Hände, wollen feiern, gemeinsam, doch hier wird spürbar, dass sie hierfür zu wenige sind, der Funke will nicht übergreifen auf das Publikum.

Dann beginnt sie wieder, die künstlich generierte, beat betonte Computermusik, deren Töne an Flipperautomaten erinnern aber weit weniger spannend sind. Dann kommt es zurück in die Gesichter, das grimassenhafte Lächeln, das sich von dort keinen Millimeter mehr bewegt. It’s showtime folks, bis zum harten break des plötzlichen Aus von Licht und Ton.

Erst nach dem langanhaltenden Applaus wird klar, welche Leistung die Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne erbracht haben: Vier von zehn Tänzerinnen und Tänzer waren kurz zuvor positiv auf Corona getestet worden und so musste „North Korea Dance“ grundlegend neu für diese Aufführung umgestellt werden, damit sie überhaupt stattfinden konnte. Da kann man sich nur verneigen.

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger

Eun-Me-Ahn_North-Korea-Dance©TANZweb.org_Klaus-Dilger