Impressionen EXPOSURE

ÜBERWÄLTIGTE WELT

Urban Arts Ensemble gastiert in Wuppertal im Alten Schauspielhaus

von Klaus Dilger

Das Urban Arts Ensemble Ruhr, gemeinsam mit der Compagnie  Danza Contemporánea de Cuba, setzen in der Choreografie von Julio César Iglesias Ungo und Hans van den Broeck auf Überwältigung. Die Folien dazu liefern die Komposition und Live-Musik von Ben Frost in einem Bühnenraum, der ausser einem Plastik-Rasen-Teppich, Nebel, Licht- und Videoeffekten nichts bedarf, um die Zuschauenden in eine Welt zu katapultieren, die nur farblich vorgibt, Natur zu sein.

Im Rund sitzen sie alle um das grüne Geviert, als wären sie zum Pick-Nick eingeladen, dessen Moderator ein Roboter zu sein scheint (fies freundlich und so charismatisch wie eine Maschine, gegeben von ROBOZEE, alias Christian Zacharas). Kaum weniger „scheinlebendig“ werden nach und nach die dreizehn weiteren Protagonisten in schweren, stapfenden, stampfenden Schritten, sich um ihn sammeln, um sich beat für beat und bit für bit aus der choreografierten Monotonie zu befreien, die lange braucht, um sich erstmals wie eine Explosion in halsbrecherischen Soli aufzulösen, die simultan aber nie synchron das Rasenplastik zum schmelzen bringen wollen.

Dann Ruhe – Wie nach einer Atombombendetonation.

Wie im Freilichtkino liegen die Tänzerinnen und Tänzer aufgereiht auf dem Grün und schauen in die Lichtwellen, die über sie hinweg schwappen wie radioaktive Strahlen. Bilder des französischen Künstlers und Illustrators Julian Pacaud kommen in den Sinn.

Nicht immer gelingen solch dichte Momente und dramaturgisch geschickte Zäsuren, manchmal fehlen EXPOSURE timing und choreografischer Feinschliff und der tänzerische Wortschatz scheint nicht unbegrenzt. Dann sprechen die Körper, zusammen mit der Komposition von Ben Frost in einer Lautstärke, die nur noch Überwältigung ist.

Vielleicht sogar ein gewollter Effekt als Spiegel unserer Welt in genau dieser Zeit?

Aber auch gegenüber dieser scheinbaren Überwältigung sind die bunt gemischten Tänzerinnen und Tänzer nicht machtlos. Allesamt sind sie mit ganz eigenen Skills und Eigenschaften ausgestattet, die per se schon jeder Form von Norm und Gruppe zuwiderlaufen. Das lässt hoffen, insbesondere, wenn sie alle den Raum erhalten und erobern, zu dem Ben Frost mit seinen Sounds und Lichteffekten einen ganz wesentlichen Beitrag zur Inszenierung der Choreografien von Julio César Iglesias Ungo und Hans van den Broeck leistete. Dann findet sich sogar individuelle Schönheit in dieser leiser werdenden Diversität, die auch dann nur umso heller strahlt, wenn diese Individuen sich in getanzten Ritualen begegnen und Gemeinschaft werden.

HIER geht es zur Nachtkritik von Melanie Suchy

EXPOSURE©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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