Pas-de-deux
Scapino Ballet Rotterdam/Ed Wubbe
Beim schrit_tmacher justDANCE! Festival in der Aachener Fabrik Stahlbau Strang mit Musik von Michiel Borstlap
Nachtbesprechung von Laura Brechmann
Wie du mir so ich dir
Scapino Ballett Rotterdam und das Schrit_tmacher-Festival sind ein Pas-de-deux der Extraklasse. Ihre Beziehung garantiert dem Publikum stimmungsvolle Momente und hohe künstlerische Qualität. Niederlandes älteste Kompanie, 1945 gegründet, Ed Wubbe, ihr künstlerischer Leiter seit 1992, und das Traditionsfestival der Euregio-Region sind harmonische Partner, die aufeinander hören, reagieren und sich immer wieder inspirieren. Wie um ihre Beziehung zu feiern, heißt die neue Produktion passenderweise „Pas de deux“, Duett. Und besticht erneut durch eine virtuose Choreografie, raffiniertem Arrangement und einer herausragenden tänzerischen Leistung des verjüngten Rotterdamer Ensembles.
An diesem Abend bleibt die Welt draußen. Mit dem ersten Erklingen zarter Klaviertöne des renommierten niederländischen Pianisten Michiel Borstlap, der seine Musik in „Pas de deux“ live präsentiert, breitet sich eine Magie im Zuschauerraum aus, die den Alltag vergessen lässt. Der Komponist lächelt als die erste Tänzerin in weißem Gewand die Bühne betritt. Es ist ein wissendes Lächeln. Er weiß, welche choreografischen Verzauberungsstücke nun folgen werden. Sie steht still und gleicht mit ihrem geweißten Gesicht einem Pantomime. Nach und nach begeben sich mehr Tänzer und Tänzerinnen des Ensembles hinzu. Sie legen ihre Schuhe ab, positionieren sich zueinander, und dann, beginnen sie zu tanzen. In wechselnden Konstellationen, doch stets live begleitet von Borstlaps einfühlender Musik, erzählen die Soli, Duette, Ensemble-Passagen von der Kunst der (zwischen-)menschlichen Begegnung.
In „Pas-de-Deux“ wird Harmonie zum wichtigsten Formmerkmal. Alles Aufgeregte und Hässliche ist entfernt. Zurück bleiben intensive Momente, in denen sich Menschen begegnen, sich in Bewegung Zeit teilen, um dann wieder auseinander zugehen. Zwar existieren sie, die traurigen und einsamen Momente, die von Verlassen- und Verletzlichkeit erzählen, doch selbst die (inneren) Kämpfe bleiben schön. Das Unaufgeregte und Stille wirkt stellenweise ermüdend, doch die Besonderheiten dieser Choreografie liegen im Detail. Denn in der choreografischen Sprache Ed Wubbes wirkt selbst eine simple Menschenkette ungemein zärtlich und ein In-der-Reihe-stehen wird zur marmorierten Statue erwartender Menschen. Die Choreografie ist kein Erzähltheater, sondern Bewegungsperfektion bis in die Fingerspitzen.
Und manchmal, schweigt das Klavier. Der rhythmisierte Atem der Tänzer und Tänzerinnen wird dann hörbar und zum Taktinstrument der Bewegung. Im nächsten Moment setzt die Musik, einem Impuls folgend, wieder ein und führt die Geschichten von der Kunst der Begegnung auch dann noch fort, wenn die Tänzer die Bühne verlassen haben. In diesem Moment des Alleinseins schnürt sich der bläulich schimmernde Lichtkegel enger um den Flügel und die Musik darf alleine wirken. Live-Musik und Tanz, der technisch eine Mischung aus Modern Dance und Ballett ist, sind an diesem Abend ein überaus gelungenes Pas-de-Deux. Der Zuschauer ist gleichzeitig Zuhörer. Er erlebt wie Tänzer und Musiker aufeinander reagieren und sich verlassen. Und allein im sichtbar gemachten Vertrauen liegt die ganze Magie dieses Abends.