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schrit_tmacher justDANCE! 2023 – german – english

Videoimpressionen | Videoimpressions – ALL I NEED

Beaver Dam Company  reisst in der Fabrik Stahlbau Strang am letzten Aachen Festival Wochenende das Publikum von den Stühlen und überzeugt unsere Kritikerin Nicole Strecker – hier nochmals ihre Nachtkritik:

Zombies aus Angst und Wut

„All I Need“ von der Beaver Dam Company in der Fabrik Stahlbau Strang

Von Nicole Strecker

Eigentlich war man ja heilfroh, diese Stimme nicht mehr hören zu müssen: das Gebelle und Geprotze von Ex-US-Präsident Donald Trump. Doch jetzt ist er wieder da – mindestens auf der Bühne. Von heute an beginne ein Gespräch darüber, wie man „America safe again“ machen könne, tönt es aus den Lautsprechern. Dazu hampeln sich neun Tänzer:innen durch das Gesten-Arsenal des demagogischen Krakeelers, schubsen sich beiseite wie das Trump beim Nato-Gipfel 2017 mit Politikern tat, zerreißen sich gegenseitig die Klamotten – Chaos. Alles auf Anfang. Trump prahlt wieder los. Ein Egomane im Endlos-Loop.

„All I Need“ heißt das Stück vom französisch-schweizerischen Choreografen Edouard Hue und seiner 2014 gegründeten Beaver Dam Company, das jetzt beim Schrittmacher Festival in der Fabrik Stahlbau Strang gastierte. 2021 ist es entstanden. Da glaubte man gerade, den skrupellosen Narzissten, der die repräsentative Demokratie attackiert hatte wie kein US-Regierender vor ihm, hinter sich zu haben. Doch so leicht wird man ihn nicht los, das prognostizierte Edouard Hue offenbar schon vor zwei Jahren. So bekommt sein Stück nun mit der berechtigten Angst vor einer Wiederwahl Trumps neue Aktualität. Ziemlich bizarr ist allerdings, dass Hue nach ein paar Runden durch den „Trump“-Loop dieselbe choreografische Szene zur Stimme von Wladimir Selenski wiederholen lässt. Wie jetzt? Wohlwollend interpretiert, könnte Hue damit das „safe“ in Trumps Rede konterkarieren wollen, nach dem Motto: Von wegen ’sicheres Amerika‘, jetzt bedroht ein Krieg die Welt. Aber befremdend ist die szenische Gleichsetzung Trump-Selenski dennoch. Dramaturgische Präzisionen sind Hues Sache offenbar nicht. Sehr schade.

All-I-Need_BDC©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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Dabei können sich er und seine wunderbare ‚Biberdamm‘-Kompanie doch aller Sympathien sicher sein. Schon das Ensemble selbst ist ein politisches Statement für gelebte Diversität und Bodypositivity im Tanz. Wo in Sachen Herkunft und sexueller Identität der Tanz längst schon weiter ist als der Rest der Gesellschaft, tut sich die Sparte bei den Gewichtsklassen bekanntlich nach wie vor schwer – zumal, wenn in Stücken virtuose Leistungen abgerufen werden müssen. Die „Beaver Dams“ zeigen nun, dass nicht nur ideal-proportionierte Muskelmaschinen zu verblüffender Geschwindigkeit, Härte und Kraft in der Lage sind. Die neun Tänzer:innen marschieren in knapper Unterwäsche bekleidet auf. Gewaltige Elektrobeats pulsieren durch ihre Körper. Die Hände zu Fäusten geballt stampfen, zucken, krampfen sie sich in fiebrige Erregung.

Edouard Hue versucht gar nicht erst, seine Prägung durch einen der besten Choreografen unserer Zeit zu verbergen: Hofesh Shechter. Seit rund 20 Jahren inszeniert der seine fantastischen Tanz-Menetekel und hat für seine Revolutionen und Apokalypsen einen einzigartigen Stil geschaffen, der es verdient, von künftigen Generationen weiter getragen zu werden. Und vermutlich kriegt man die extrem rhythmische und auf aggressive Kontraste setzende Bewegungssprache ohnehin nicht mehr mehr aus dem Leib, hat man eine Zeitlang bei Shechter gearbeitet – wie Edouard Hue.

So rotten sich nun auch bei ihm die Tänzer:innen zu grotesk-zornigen Rebellen zusammen und verwandeln ihre Körper in Waffen, um dann in langsameren Szenen  auch von der Zerbrechlichkeit, den Ängsten hinter der Wut zu erzählen. Da steht eine Tänzerin am Bühnenrand wie eine Rednerin, die ihren Text vergessen hat. Sie holt immer wieder Luft, findet keine Worte, bis schließlich ihr Körper die Kontrolle verliert und ekstatisch zitternd und mit verdrehten Gliedmaßen ihr Innerstes nach außen stülpt.

Die Verzweiflung über unsere Welt, all die heftigen Gefühle – sie entstellen uns auch, verwandeln uns in wutverzerrte, angstzerfressene Zombies, zeigt Edouard Hue. Am Ende aber richten sich seine Tänzer:innen langsam vom Boden auf, stehen einfach da, finden zu Menschlichkeit in Melancholie. Wären wir nur alle etwas moderater, etwas besonnener, etwas weniger „Trump“.

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review in english:

Zombies of fear and rage

„All I Need“ by the Beaver Dam Company at Fabrik Stahlbau Strang.

By Nicole Strecker

translated by Karoline Strys

Actually, we were all glad to have gotten rid of this voice: the barking and blustering of former U.S. President Donald Trump. But now he is back – at least on stage. From today on, a conversation about how to make „America safe again“ has begun, it sounds from the speakers. Nine dancers fidget their way through the demagogic troublemaker’s arsenal of gestures, pushing each other aside as Trump did with politicians at the NATO summit in 2017, tearing each other’s clothes – chaos. Everything back to the top. Trump is bragging again. An egomaniac in an endless loop.

„All I Need“ is the name of the piece by French-Swiss choreographer Edouard Hue and his Beaver Dam Company, founded in 2014, which has now made its guest appearance at the Schrittmacher Festival in Fabrik Stahlbau Strang. In 2021 it was created. There, you just came to believe to have been past the unscrupulous narcissist, who had attacked representative democracy like no U.S. president before him. Yet you cannot get rid of him that easily, as Edouard Hue apparently already had predicted two years ago. Thus his piece now takes on new relevance with the justified fear of Trump’s possible re-election. It is rather bizarre, however, that after a few rounds through the „Trump“ loop, Hue has the same choreographed scene repeated to the voice of Vladimir Selensky. How come? Interpreted benevolently, Hue might want to counter the „safe“ in Trump’s speech, following the lines of: ’safe America‘ my foot, now a war is threatening the world. Yet the scenic equation Trump-Selenski remains nevertheless disconcerting. Dramaturgical precision is obviously not Hue’s thing. What a pity.

All-I-Need_BDC©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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Yet, he and his wonderful ‚Biberdamm‘ company can be sure of everyone’s sympathy. The ensemble itself is a political statement for lived diversity and body positivity in dance. Whereas in matters of origin and sexual identity dance has long been further than the rest of society, yes the discipline still has a hard time with weight classes – especially when virtuoso performances appear in pieces. The „Beaver Dams“ present now that not only ideally proportioned muscle machines are capable of amazing speed, hardness and strength. The nine dancers are dressed in tight underwear. Powerful electro-beats pulsate through their bodies. Hands clenched into fists, they stomp, twitch and cramp in feverish excitement.

Edouard Hue does not even try to hide his influence by one of the best choreographers of our time: Hofesh Shechter. He has been staging his fantastic dance portents for about 20 years and has created a unique style for his revolutions and apocalypses that deserve to be carried on by future generations. And presumably, once you have worked with Shechter for a while, you cannot get the extremely rhythmic movement language, relying on aggressive contrasts, out of your body anyway – just like Edouard Hue.

So now with him, too, the dancers also gather to form grotesquely angry rebels and transform their bodies into weapons, in order to then also present the fragility, the anxieties behind the rage in slower scenes. There is a female dancer standing at the edge of the stage like a speaker who has forgotten her lines. She catches her breath again and again, unable to find the words, until finally her body loses control and, trembling ecstatically and with twisted limbs, spills out her innermost outward.

The despair about our world, all the violent feelings – they also distort us, turn us into rage-distorted, anxiety-ridden zombies, this is presented by Edouard Hue. In the end, however, his dancers slowly rise from the floor, simply standing there, finding humanity in melancholy. If only we were all a little more moderate, a little more prudent, a little less „Trump“.

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Von |2023-03-29T14:11:53+01:0029. März, 2023|

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