Lois Alexander/Berlin bei movextended – den 22. Krefelder Tagen für modernen Tanz

YEYE – Göttin und Kind

Kurzkritik von Bettina Trouwborst

Ein weißer Sarkophag, bedeckt mit weißen Blumen, ist der magische Ort, der die Solotänzerin in Weiß immer wieder anzieht. Gleich zu Beginn kniet Lois Alexander davor, in Anbetung versunken. Dann setzt sie zu einer verschlungenen Arm-Sequenz an. Wer in diesem Sarkophag liegen mag – darüber kann man spekulieren. Denn zum Einen widmet die Kalifornierin mit afroamerikanischen, philippinischen und chinesischen Wurzeln ihr Solo „Yeye“ der Yemaya, Göttin des Meeres und der Mutterschaft in der Religion der Yoruba, verbreitet vor allem in Westafrika. Andererseits könnte es ein Kind sein. Denn die Tanzkünstlerin hat sich in ihrem Solo auch von Büchern der afro-amerikanischen Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison inspirieren lassen, insbesondere dem Roman „Menschenkind“ (1987). Er handelt von der radikalen Tat einer Sklavin: Auf der Flucht tötet sie die eigene Tochter, um sie vor Sklavenfängern zu schützen.

Zu interpretieren gibt es einiges in diesem spirituellen Stück. Auch die metallene, kleine Wanne, aus der die Künstlerin im späteren Verlauf rotes Pulver nimmt und an mehreren Stellen auf dem Bühnenboden verteilt, um daraus kreisrunde, rote Stellen zu formen – wie kunstvolle Blutlachen. Ist es Blut – und wenn ja, wessen? Doch all diese Fragen sind letztlich eher überflüssig. Denn sie lenken vom Wesentlichen ab: dem sinnlichen, vibrierenden Tanz Lois Alexanders. Ihr Körper ist völlig durchlässig, wunderbar beweglich, und strahlt eine ungeheure Kraft und Energie aus.

Es ist die Darstellung schwarzer Mütter, unter anderem in der Mythologie und in der Religion, die Lois Alexander fasziniert. In ihre Erkundungen bezieht sie die Folgen von Kolonialzeit und Sklaverei bis in die heutige Zeit mit ein. Und wenn Alexander mit ihren Fingern entlang ihrer Rippenbögen hinab über das Becken streicht, um dann mit beiden Händen eine nach unten weisende Bewegung zu machen, stilisiert sie auf wunderbar reduzierte Weise den Geburtsvorgang. Man würde sich wünschen, dass sie diese Art von Reduktion auch auf ihre weiteren ästhetischen Mittel anwenden würde. Denn das Problematische an „Yeye“ ist der Kontrast zwischen dem Tanz und zum Teil an Kitsch grenzender Symbolik.

YEYE_Lois Alexander©TANZweb.org_Klaus Dilger

YEYE_Lois Alexander©TANZweb.org_Klaus Dilger