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Die niederländische Lloyds’s Company zeigen in Heerlen mit „Father Figure“, dass Breaking keine bloße Spielerei „großer Jungs“ ist 

Nachtkritik von Rico Stehfest

Es ist ja so eine Sache mit Urban Styles. Auf der Straße entstehen sie, auf der Straße wollen sie nicht selten bleiben, weil sie einfach dorthin gehören. Das ist eher eine Frage des Selbstverständnisses als eine solche nach Selbstbewusstsein. Finden Urban Styles ihren Weg dorthin, was als etablierte Bühnen gilt, in Theater, öffnet sich automatisch eine Diskussion um Professionalisierung bei gefühlter Eventualität eines unbestimmten Authentizitätsverlustes im Ausdruck eines Lebensgefühls. Hochkultur oder eben gerade nicht? Im Breaking ist dieser Aspekt mit seiner soziokulturellen Geschichtsträchtigkeit stärker ausgeprägt als in jüngeren Performance-Ansätzen wie beispielsweise dem Krumping. Manche Berührungsmomente wollen da nicht so ganz ineinandergreifen.

Davon ist bei den Breakern um Lloyd Marengo aber so gar nichts zu spüren. Die vier Performer kommen völlig entspannt mit dem Percussionisten Julio Pimentel zusammen und bilden im eigentlichen Wortsinn eine organische Einheit, in der keine Trennung zwischen Percussion und körperlicher Performance wahrnehmbar ist. Trotzdem schafft es auch die Dramaturgie, jeden Einzelnen für sich wirken zu lassen.

 lloyds-company@TANZweb.org_Klaus-Dilger


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„Father Figure“ fällt auch im Bewegungsvokabular vom ersten Moment an klar durch eine mühelose Verschmelzung von klassischen Breaking Moves mit Einflüssen des Contemporary auf. Das Ergebnis ist eine ästhetische Geschmeidigkeit, deren energiegeladene Körperarbeit nichts vom halb sportlichen, oft ausgestellten Battle-Charakter von B-Boys hat. Die wissen, was sie tun. Und sie wissen, was sie können. 

Das funktioniert komplett überzeugend, nicht zuletzt auch, weil alle in der Truppe ihre Freezes, das Uprocking und die Powermoves schlichtweg exzellent beherrschen.  Da sind zum einen Szenen, die mit ihrer lautstarken musikalischen Untermalung ungehemmt nach vorn drängen, zum anderen macht gerade das Ausbleiben eingespielter Musik über lange Strecken den Kern von „Father Figure“ hörbar. Nicht nur die Geräusche der Sneaker auf dem Bühnenboden bilden einen Rhythmus für sich. Experimentelles Trommeln mit den Fingern auf dem Boden und die rasanten Fingerpercussions Pimentels machen aus einfachen Bewegungen strukturierende Sounds. Zwei Türen auf der Bühne bilden dabei weniger einen Raum, als vielmehr den Rahmen für Momente und Augenblicke, die sich als Bruchstücke aneinanderreihen, ohne dass eine zwangsläufige Story entsteht. Vielmehr ist das hier reiner Ausdruck, sichtbar gemachtes bloßes Sein in einer Art Innerlichkeit, mit der das Dasein als Vater, als Elternteil, mit den damit einhergehenden Herausforderungen und empfundenen Unmöglichkeiten sichtbar gemacht wird. Im ausgetesteten Konkurrenzkampf wird sich gegenseitiges Überholen und Übertreffen durchbuchstabiert, während gleichzeitig der Einzelne im ineinander verschlungenen Pulk Schutz und Stütze sucht und findet. So schafft die körperliche Virtuosität den entscheidenden Schritt hin zu einer klaren Message.

 lloyds-company@TANZweb.org_Klaus-Dilger


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