MENSCHEN GUCKEN…

Zum Tod von Raimund Hoghe, der am 14.Mai 2021 verstarb, noch einmal die Laudatio von Dr. Katja Schneider für den Geehrten.

Sie vermittelte mit ihren präzisen Analysen und Detailreichtum im Herstellen der gesellschaftlichen, politischen und künstlerischen Zusammenhänge im und zum Werk von Raimund Hoghe einen Eindruck davon, welche Rolle Tanzjournalismus und Tanzwissenschaften spielen könn(t)en, wenn sie denn auf solch hohem Niveau betrieben werden oder besser würden. Sichtlich gerührt antwortete und dankte Hoghe auf Schneiders Laudatio von dem sich der Kern in der

Jurybegründung DEUTSCHER TANZPREIS 2020 wiederfindet:

Raimund Hoghe erhält den DEUTSCHEN TANZPREIS 2020

Raimund Hoghe gehört seit Jahren international zu den wichtigsten ChoreographInnen, die sowohl ästhetisch als auch politisch Maßstäbe setzen. Einer der treibenden Impulse seiner Theaterarbeit fasst der Choreograph und Tänzer Hoghe selbst in einem Satz von Pier Paolo Pasolini zusammen: »Den Körper in den Kampf werfen“. In seinem Fall ein Körper, der nicht der Norm oder gängigen Schönheitsidealen entspricht. Seine Stücke reagieren auf die politischen Zeitläufte, ohne dabei jemals die eigene künstlerische Handschrift aus den Augen zu verlieren: Sie widmen sich brisanten gesellschaftspolitischen Themen wie der deutschen Geschichte, vielfältigen Formen der Ausgrenzung oder der aktuellen politischen Lage, etwa Europas Umgang Europas mit Geflüchteten. Seine Werke teilen ein Archiv gemeinsamer gesellschaftlicher Erfahrungen, dem sich die eigene Geschichte der ZuschauerInnen anschließen kann. Hoghes künstlerische Arbeit beharrt auf und praktiziert seit Jahren Inklusion und Diversität, ohne unter dieser Flagge zu segeln. Für seine Kreationen, in denen auf vielfältige Weise getanzt und gesprochen, Musik gehört und agiert wird, arbeitet Hoghe mit exzeptionellen TanzkünstlerInnen zusammen. Seit den 1990er Jahren prägt er eine ganz eigene Ästhetik und verfolgt sie seither mit einzigartiger Intensität und Konsequenz. Seine hohe Kunst der Achtsamkeit, der gesteigerten Wahrnehmung ermöglicht einen neuen Blick auf den Tanz und ist nicht zuletzt ein unablässiges Experiment mit Schönheit. Mit dem Tanzpreis 2020 wird ein Lebenswerk eines Künstlers geehrt, der nie versucht hat, das System zu bedienen, sondern es mit ungewöhnlichem Mut und persönlichem Einsatz zu verändern.

Mit Raimund Hoghe wurde, nach dessen eigener Aussage, erstmals ein Vertreter der Freien Tanzszene mit dieser höchsten Auszeichnung geehrt.

Sein „Canzone per Ornella“ in der Besetzung: Ornella Balestra, Raimund Hoghe, Luca Giacomo Schulte, bildete den Abschluss dieser denkwürdigen Gala, die Corona bedingt ohne einen Schlussapplaus auskommen musste, der alle Teilnehmer noch einmal auf der Bühne zusammengebracht hätte, um dem Publikum die Gelegenheit zu geben, sich für einen ausserordentlich hochwertigen aber auch Identität stiftenden Abend zu bedanken, der fortan wohl als Maßstab für derlei Veranstaltungen gelten wird.

Viel Applaus für Raimund Hoghe, Ornella Balesta, Luca Giacomo Schulte, die Veranstalter, Organisatoren und alle Beteiligten, die unsichtbar bleiben, aber diesen Abend zum leuchten brachten.

Gala-Deutscher-Tanzpreis-2020@Ursula-Kaufmann_Raimund-Hoghe

Gala-Deutscher-Tanzpreis-2020@Ursula-Kaufmann_Raimund-Hoghe