„Unprofessionell, ärgerlich und unfair…“

Zum Streaming-Versuch von: „das schiff ist das schiff ist… das stück mit dem schiff goes digital“

„Unprofessionell, ärgerlich und unfair gegenüber den Tänzerinnen und Tänzern“, so empfanden viele Zuschauerinnen und Zuschauer den Stream einer Projektion auf das Alte Schauspielhaus Wuppertal mit Fragmenten aus dem „Stück mit dem Schiff“ von Pina Bausch.

Ein Kommentar von Klaus Dilger

Erstaunlich wenn man bedenkt, dass das Publikum des Tanztheater Wuppertal eigentlich schon aus Gewohnheit die Werke Pina Bauschs und ihre Tänzerinnen und Tänzer mit „Standing Ovations“ huldigt, egal wie gut, durchschnittlich oder schlecht eine Vorstellung gelungen ist, so wie es früher, lange Zeit zu Beginn der Arbeit von Pina Bausch in Wuppertal, Tomaten und sonstiges Gemüse geworfen hat, egal wie grossartig das Gesehene und Geschehene auch war. Solche Ovationen ersterer Art gab es natürlich auch gestern Abend, obwohl nicht nur die Qualität des Streamings aussergewöhnlich schlecht war, einschliesslich mehreren Aussetzern und zeitlich versetzter und verzerrter Tonübertragung; und dies, obwohl „nur“ eintausendsechshundert Zuschauer sich weltweit bei freiem Eintritt eingelockt hatten, von denen dann rund zweihundert recht bald, vielleicht „laut Türeschlagend“ (wie in „alten Tomaten Zeiten“), den Saal wieder verlassen hatten.

Diese Empörung war berechtigt, denn „das schiff ist das schiff ist… das stück mit dem schiff goes digital“, so der Werbeslogan und Titel des Projekts, war von ähnlicher Güte wie der Titel selbst, zusätzlich zu den bereits erwähnten technischen Unzulänglichkeiten. Ein Haus der Zukunft soll aus dem Alten Schauspielhaus eines Tages werden, wenn es dann Pina Bausch Zentrum heissen wird. Wer also ein futuristisches Mapping erwartet hatte, das das ganze Gebäude eingeschlossen und Pina’s Werk erstmals ganz nahe in mehreren Einstellungen gleichzeitig dem Zuschauer erlebbar gemacht hätte, fand sich mit zwei nebeneinander projizierten, identischen Bildinhalten wieder, deren einzige Berechtigung darin bestand, die Miniprojektion nicht allzu einsam und mickrig erscheinen zu lassen. Dem nicht genug, wurde dieses armselig erscheinende Bild nicht nur abgefilmt, sondern häufig auch noch weit aufgeblendet, damit auch deutlich sichtbar wurde, dass den Wuppertaler an sich diese Projektion nicht zu interessieren scheint, sieht man einmal von den zweihandvoll Zuschauerinnen und Zuschauern ab, die sich vor dem Haus auf der Strasse verloren.

Im ersten Teil waren in dem Stream nur selten die dokumentarisch gefilmten Tanzszenen, die sich ohnedies nicht für ein 2D Erleben eignen, ungestört von Strassen- und Gebäudeaufnahmen zu sehen. Die Filmszenen wurden nicht besser, aber häufiger und  in denen wurde dann, auch ohne Grossaufnahmen sichtbar, wie einsam sich die Tänzer ohne Publikum gefühlt haben müssen, wie kraftlos, ohne Charisma und weit entfernt von dem, was dieses Ensemble normaler Weise auszeichnet und ihm, zumindest mit Pina’s Werk, Weltruf eingebracht hatte. Ohnmächtig auf eine Hauswand projiziert, an der sie als „Werbefilm“ so nur scheitern konnten. – Wurden sie denn wenigstens gefragt, ob sie das wollen?

Es ist gut und richtig, Neues zu wagen, aber dann bitte mit Mut und Schmackes, sei es als echte Live-Übertragung, in einer Form gefilmt, die Zuschauen zum Erlebnis machen kann, oder als ganz aussergewöhnliches Mapping. Wer viel wagt, darf auch heroisch scheitern und das immer wieder.

Wer aber nicht einmal den Mut hat, solches zu tun, und stattdessen verbrämte Strassen-Gebäude-und ein wenig Tanz-Streamings als Erungenschaft behauptet und damit auch noch scheitert, dann ist das nur noch erbärmlich.

Das haben weder die Tänzerinnen und Tänzer des Tanztheater Wuppertal verdient, noch das Werk von Pina Bausch.

Zwei von vielen kritischen Zuschauerstimmen:

„Honestly this live stream is mediocre and really disappointing. Why would anyone watch a live stream of a projection on a building when we can’t even make out what the performers are doing? And the little bits of the recording are so short that one cannot even try and connect. Does anyone on your marketing and programming team understand and respect the legacy of Pina’s work? Do better.“

„Es tut mir leid.. Aber das ist ein total unprofessioneller Auftritt. Wer kommt auf so eine Idee? Offensichtlich hat da jemand dieses Medium Streaming nicht verstanden. … Ich finde es unerträglich. Die armen Tänzer bringen sich um aber ich seh die Strasse. Warum macht ihr das denn überhaupt?“