Charmatz Premiere beim Tanztheater Wuppertal (Pina Bausch)-terrain

Drei linke Hände

Das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch präsentiert einen neuen Abend mit drei alten Stücken: „Club Amour“

Kurze Nachtkritik von Melanie Suchy

Es klatschen Körper auf Holz, Holz quietscht, Holz schrappt übern Boden, so rattern die Stuhlbeine, rrrrr und RRRRR, die Stühle kippen, purzeln und fallen leer aufeinander. Andere warten noch. Der Tisch bleibt stumm und hinten, der Rücken der Tänzerin nackt. Ihr Kopf und die beiden Arme auf der Platte. Pro Person ein Holzboden, aufeinander gebaut, Etagenkabinen ohne Wände, die Tänzer ohne Hosen, untenrum nackt. Die zwei danach, ohne Wohnung, auf dem Boden, tragen nicht mal T-Shirts. Nur einander. Aufeinander, gegeneinander. Haut an Haut an Boden. Fußsohle auf Rücken, auf Unterschenkel. Sie auf ihm. Alles trägt Gewicht, er trägt sie auf den Schultern, sie liegt sogar quer über seinem Kopf, während er steht. Beide halten, beide fallen. Im Café halten sie auch viel. Halten andere Körper eng an sich, umarmen, jemand umarmt sogar jemand anderes Beine. Das hält alles nicht.

Sie fällt ihm aus den angewinkelten Armen, nochmal, nochmal. Allen fällt alles runter, hin, weg, geht verloren. Der Tod ist dabei. Man trägt, man lehnt, liegt mal still und läuft wieder los. Nochmal und nochmal. Gegen die Wand. Zwischen die Stühle. Es rumpelt. Die drei in ihrem Regal, den gestapelten Wohnmetern, poltern: ihre Lebenszeichen. Sie ziehen sich zurück, schieben am Ende ihre Arme hinaus aus ihrem Geviert, in die Gegenwart, die Luft über der Schlucht. Sie umarmen jemanden, der nicht da ist.

Es fügt sich zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört. Da streckt der eine Tanz dem anderen die Hand hin. Ob sie einander berühren?

Der neue Leiter des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch, Boris Charmatz, hat also die Säge genommen und „Café Müller“ vom „Frühlingsopfer“ getrennt und an dessen Stelle zwei eigene Jugendwerke geschraubt. Die Sägespäne liegen noch irgendwo. Der dermaßen neue dreiteilige Abend, der im Opernhaus in Wuppertal Premiere feierte, heißt „Club Amour“. Das Rotlicht aber bleibt aus, bei Pina Bausch ist die Amour eine vergebliche oder verblichene, bei Charmatz, in dem Trio „Aatt enen tionon“ von 1996 und dem „herses, duo“ von 1997, ist wenig Herz. Die Extremerregung des „Frühlingsopfers“ fehlt hier irgendwie. Der Club ist ein Versuch, das darf er sein. Aber er begeistert nicht.

Morgen mehr an dieser Stelle —-

Café Müller Pina Bausch 2023 ©TANZweb.org_Klaus Dilger