Festival MOVE!

Überbordende Lust an Bewegung

Das transnationale Kollektiv La Fleur zeigte in der Fabrik Heeder Krefeld „TRIO (for the beauty of it)“

Von Thomas Linden  

Die Tanzkunst ist ein Treiber im Reigen der Künste. Das war sie schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts und das ist sie auch in unserem Zeitalter der digitalen Medien. Möglicherweise besteht ihre dynamische Wirkung in der Tatsache, dass sie sich den Worten, Begriffen und Zuschreibungen entzieht. Dass sich die Tanztraditionen Afrikas und Lateinamerikas auf diese Realität noch selbstverständlicher eingelassen haben als das an Bedeutung und Narrations orietierte Tanzverständnis Europas demonstrierte jetzt La Fleur in der Krefelder Fabrik Heeder. Hinter La Fleur verbirgt sich ein transnationales Kollektiv, das der ivorische Choreograph Franck Edmond Yao und die Künstlerin Monika Gintersdorfer, die zu den Gründungsmitglieder der Akademie der Künste der Welt in Köln gehört, in Paris geschmiedet haben. Aus La Fleur geht die Produktion „TRIO (for the beauty of it)“ hervor. Sie besteht aus drei Persönlichkeiten des Tanzes, die in ihrer Performance Traditionen von der Elfenbeinküste, Mexikos und der New Yorker Vogueing-Szene auf überraschende Weise miteinander verbinden.

FLEUR©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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Zu den Elektrobeats von Timor Litzenberger beginnt das Trio tatsächlich zu Buchstabieren. Wunderbar anschaulich lösen sich Worte in Klänge und Bewegung auf und plötzlich befindet man sich in jenem Dazwischen, das keinen Halt der Definition bietet und schließlich in das Reich des Tanzes übergeht. Das Verstehen wird intuitiv. Ja, man kann sich ihm körperlich gar nicht mehr entziehen. Überall auf der Zuschauertribüne der Fabrik wippten zu den harten elektronischen Rhythmen Füße, Knie und Hände. Möglicherweise unbewusst, weil Tanz und Musik etwas mit dem Körper machen, das sich unserer Kontrolle phasenweise entzieht. Hinzu kommt das unerhörte Tempo. Bewegungen enteilen den Worten. Der in Paris lebende Ivorer mit Namen Ordinateur demonstriert diese Verbindung von Tempo und Präzision in Drehungen und virtuosen Hüftschwüngen, die den vibrierenden unteren Körper im Kontrast zur souveränen Langsamkeit des Oberkörpers zeigen. Immer mit einem Augenzwinkern wird der Po dabei in eine Vibration versetzt, der das beobachtende Auge kaum folgen kann.

FLEUR©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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Obwohl man sich zwischen den Traditionen befindet, zeigt „TRIO“ doch zugleich die Nähe, die im Bewegungsrepertoire der verschiedenen Kulturen zum Ausdruck kommt. Carlos Martinez übernimmt den Staffelstab von Ordinateur und der Mexikaner integriert viele afrikanische Elemente in seine Bewegungen, die absichtsvoll an die Eleganz der Schlangen erinnern sollen. Martinez verkörpert eine Lust an der Bewegung, die überbordend wirkt. Wohin mit all der Energie, fragt man sich unwillkürlich. Energie zähmt Alex Mugler aus der New Yorker Ballroom-Szene hingegen mit Grazie. Dazwischen zu sein, bedeutet eben auch, sich im Korridor von männlichen und weiblichen Attributen zu befinden. Zum Kinnbärtchen liefert er das Alphabet vermeintlich weiblich zu lesender Gesten. Alex Mugler lockt und kokettiert, seine tänzerischen Aktionen münden fast immer in den schwingenden Hüften eines Catwalk. Er bietet mit seinen elaborierten Vogueing-Zitaten eine Art Quintessenz der Gemeinsamkeiten von afrikanischen und lateinamerikanischen Traditionen. Das alles ist in die urbane Tanzwelt New Yorks eingeflossen. Wenn das Wort vom Schmelztiegel noch eine Relevanz haben soll, dann ist es wohl hier, in der Welt des Tanzes, Realität geworden. Das „TRIO“ jedenfalls bezeugt jenes faszinierende Verhältnis von Unterschieden und Verwandtschaften, aus denen dann neue Formen des Ausdrucks entstehen können. Wie reagiert das Publikum darauf? Es trampelte in der Fabrik Heeder begeistert mit den Füßen.

FLEUR©TANZweb.org_Klaus-Dilger

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