Nach(t)besprechung zu

HAUS KEIN HAUS

Antje Velsinger zu Gast bei Barnes Crossing

von Klaus Dilger

HIER GEHT ES ZUM VIDEOTRAILER

Nach ihrem Preview Showing im Dezember letzten Jahres am gleichen Ort wurden Antje Velsinger und ihr Team von Teilen der lokalen Presse überschwänglich mit Vorschusslorbeeren bedacht. Dies weckt Interesse, birgt aber auch die Gefahr der Enttäuschung, wenn die Schwelle der Erwartungen dermaßen hochgeschraubt wird, um doch final auf die Realitäten eines Endergebnisses zu treffen.

Nicht minder hoch ist der Anspruch der im Programmblatt formuliert wird: dieses wirkt wie eine Mischung aus Antragslyrik, die für die öffentlichen Geldgeber und Stiftungen bestimmt gewesen sein mag, Kuratorensätzen, denen jeder überprüfbare Inhalt programmatisch bereits fremd ist und philosophisch erscheinenden Fragestellungen, deren Beantwortung ohnedies in einer Performance nicht eingefordert werden kann. Es stimmt die Leser, das Publikum, auf eine Performance ein, die vor allem eines ist – enigmatisch!

Immerhin! Das ist bereits mehr als die meisten Nachwuchschoreografen hierzulande zu bieten haben: eine Rätselhaftigkeit, der es gelingt die Spannung und das Interesse fast durchgängig aufrecht zu erhalten. Hierbei leistet die Anordnung des performativen Raums und die Videosequenzen von Janina Arendt, die Soundkomposition  von Katharina Kellermann und die Lichtführung von Wolfgang Pütz Beachtliches.

Bewegung und behaupteter Stillstand als zentrales Thema des Abends, animiert von Maya Weinberg und Antje Velsinger von deren Bewegungsvokabular, Dynamik und Kraft nichts ausgehen könnte, das die Spiegelneuronen der Zuschauer in Wallung und diese damit als Teil eines vielteiliges „Raumgefäßes“ in Bewegung versetzen müsste.

„Alltagsgegenstände, menschliche Körper, Sound und Videoprojektionen“ sollen sich laut Programmheft „in HAUS, KEIN HAUS zu Bewegungsmaschinerien, mit denen unterschiedliche Fragestellungen durchgespielt werden“ verbinden. „Wie viel Handlungsmacht wird benötigt, um sich gemeinsam in parallelen Strukturen und Bewegungen zu behaupten? Was bewegt uns, wann bewegen wir etwas, wann werden wir von etwas bewegt? Und welche Rolle spielt das Bleiben?“

Velsinger und Weinberg agieren beinahe distanziert aber in jeder Sekunde vollkommen überzeugt von dem was sie tun. Hiervon geht Verwunderung aber auch eine Faszination aus, die den Zuschauer über weite Strecken in deren Bann zu ziehen versteht, während die beiden Performerinnen sich bewegungs- und reglos die Trümmerteile des kleinen Hauses um die Ohren fliegen lassen, das im Video immer und immer wieder gesprengt wird.

Unterkühlt und emotional auf ein Minimum reduziert loten die Akteurinnen ihr Sujet aus. Erst ganz zum Schluss agieren sie wie spielende Kinder. Um sogleich in dem sich neigenden Licht zu verschwinden, umkreisen sie ein Mobile aus zwei Rohren, die ihnen zuvor als überlange Blindenstöcke gedient haben, um „Raumton“, Zeit und Bewegung zu evozieren und wie im Nebel tastend zu vermessen.

HAUS KEIN HAUS hinterlässt einen rätselhaften Nachhall, beschäftigt ohne zu packen, berührt nicht und ist doch präsent und dies ist, wie bereits gesagt, nicht Wenig!

Choreographie: Antje Velsinger // Performance: Antje Velsinger, Maya Weinberg // Bühne/ Video: Janina Arendt // Sound: Katharina Kellermann // Kostüm: Kristin Gerwien // Lichtdesign: Henning Eggers // Künstlerische Recherche: Janina Arendt, Katharina Kellermann, Antje Velsinger // Dramaturgische Beratung: Igor Dobricic, Matthias Quabbe // Künstlerische Beratung: Thomas Demand // Produktionsleitung: Jana Marscheider

HAUS KEIN HAUS hat viel Unterstützung erfahren und so wurden viele Monate an Recherchearbeit für die Beteiligten des Projekts ermöglicht. Dies ist vorbildlich und verdient die ausdrückliche Erwähnung der Koproduzenten K3 | Tanzplan Hamburg und das Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt.