Maschinenmänner?

tanz nrw aus Bonn: In „Comfort Zone“ von Silke Z. sind zwei Männer vor allem eins: Männer

Nachtkritik von Rico Stehfest

Es ist ein innerer Prozess, den die beiden Performer John Kendall und Dennis Alexander Schmitz in dieser Arbeit von Silke Z. aus dem Jahr 2019 durchlaufen. Das macht sich allerdings eine ganze Weile nicht bemerkbar. In kreisförmigen Bewegungen umrundet der eine den anderen, zunächst in unklarer Absicht, bis immer deutlicher wird, dass es sich hier um eine Art des Versuchs handelt, den Anderen herauszufordern. Es ist ein stampfendes Provozieren, ein Locken, die Hoffnung darauf, Eindruck schinden zu können. Da können die Schritte durchaus auch mal etwas größer ausfallen und ins Alberne umkippen. Hauptsache, man wird wahrgenommen. Um jeden Preis. Fehlt eigentlich nur noch das zu beeindruckende „Weibchen“, das sich am Ende den „Stärkeren“ gönnt. So gesehen kommt es zwischen den beiden Performern nicht zu einem wirklichen Dialog im Sinn eines Austauschs, weil der eine den anderen nur zu überbieten versucht. Behauptung des Selbst im Blickfeld des Anderen, reflexartig. Klar, dass sich beide dabei gegenseitig hochschaukeln, höher, schneller, weiter. Bis alles zur Pose gerinnt. Dabei ist diese Ironie völliger Ernst. Das bleibt allerdings nicht so.

ComfortZone_cMEYER_ORIGINALS

Konzept & Künstlerische Leitung: Silke Z. in Zusammenarbeit mit:
John Kendall und Dennis Alexander Schmitz: Tanz | Meike Kattwinkel: Assistenz | André Zimmermann: Sounddesign | Garlef Keller: Lichtdesign | Andreas Richartz: Creative Management | Irini Karamitrou: Administration | Vinya Cameron: Öffentlichkeitsarbeit | Konfetti Design: Pressearbeit | ©Meyer Originals: Foto

Fällt der treibende Beat erst mal weg, erscheint jede Geste plötzlich hohl und leer. Damit scheint ein besonderer Punkt erreicht, ein Moment der Reflexion des eigenen Tuns. Der Leerlauf wird mit einem Mal bewusst. In der Bewegung liegt also doch Psychologie. An diesem Punkt kommt es zu einem deutlichen Bruch in der Arbeit; Stroboskopflackern fragmentiert die Spielebene über mehr als nur einen kurzen Moment hinweg. Es geschieht etwas im Inneren dieser beiden. Es ist ein Moment der Subjektwerdung. Das wird nicht nur am deutlichen Tempowechsel deutlich, auch das Bewegungsvokabular ist plötzlich von der aufrechten Grundhaltung nach unten verlegt worden, in Bodennähe, in die Waagerechte. Zudem legen beide Performer ihre Oberteile ab: Das Nackte, Bloße ist verwundbar.

Und tatsächlich wird ab diesem Punkt so etwas wie gegenseitige Zugewandtheit deutlich, ein sich gegenseitiges Entdecken. Was entsteht, ist ein auffällig sensibles Tasten, eine deutliche Verletzbarkeit, die jetzt die Basis für einen möglichen Dialog, ein echtes Miteinander zu sein scheint. Das fällt noch nicht sonderlich erfolgreich aus, aber immerhin. Wenn das Ausgestelltsein wegfällt, kommt es fast zwangsläufig zu introspektiven Momenten. Es ist ein Ausfühlen neuer, bis dato unbekannter Aspekte. Die sichtbare Bereitschaft dazu macht das möglich. Das bringt ein deutliches verändertes Bewusstsein mit sich. Die beiden Performer erproben sich gegenseitig im safe space. Zwar unsicher, aber in der Geste der gegenseitigen Stütze lassen sich Misserfolge auch mit Humor begegnen. Das entlastet deutlich. Dass der Zuschauer Zeuge dieses Prozesses sein darf, hat etwas Herz erwärmendes. Ein bisschen ist es, als würde man Kinder innerhalb von nur 45 Minuten aufwachsen sehen. Unter dieser mannhaften Oberfläche wird also viel Feingefühl sichtbar. Und am Ende schauen sich beide an. Ein breites Grinsen. Geschafft. Der Eine hat sich im Anderen wiedergefunden.

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