Junior Company Bonn: 

Wo nur kommen die vielen Hände her…?

GoGoGo – They Might Be Giants – Premiere im theater im ballsaal Bonn

Von KLAUS KEIL

GoGoGo verheißt nichts Gutes. Soll hier etwas vorangetrieben werden, was eher den Stillstand als des Tempos bedarf? Oder soll hier nivelliert werden, was aus der Spur geraten war? Stillschweigend hat das fünfzehn Tänzer*innen umfassende Ensemble an einer Seite Aufstellung genommen. Ihr Blick ist wie leer in die Ferne gerichtet. Orientierung sieht anders aus. Wippend setzt sich der sonst so unbewegliche menschliche Gesamtkörper in Bewegung. Das wirkt bedrohlich. Nach einer Weile verlassen zwei Performer*innen den Block der wippenden Masse, als hätten sie erkannt, dass es nur einen Ausweg gibt. Tatsächlich zieht diese Entscheidung auch andere an, so dass sich die Reihen nach und nach lichten. Die stützende Struktur der Gruppe scheint sich langsam aufzulösen. Kreuz-und-Quer streben sie schließlich in alle Richtungen davon, scheinen sich ein Stückchen Freiheit damit zu erobern. Ein Kontakt untereinander findet nicht statt. Und eine Selbstisolation zu überwinden erfordert schon ein Vielfaches mehr.

GOGOGO-Junior-Company-Bonn-©Christian-Oeser

GOGOGO-Junior-Company-Bonn-©Christian-Oeser

Hier setzt die Choreografin Rafaele Giovanola in der Zusammenarbeit mit den Ensemblemitgliedern von GoGoGo an. Und unverkennbar sind auch die Reminiszensen an Runthrough, einem der letzten Stücke von Cocoon Dance. Das Bewegungspotential der Junior Company mag begrenzt sein. Ihr Engagement aber ist unbegrenzt und von Stück zu Stück profunder und ausgeprägter.

GoGoGo ist das neunte Stück der Junior Company, das verstärkt den menschlichen Ritualen folgt, so dass auch der Einzelne oder die Gruppe mitgenommen werden.

Inzwischen hat sich ganz ohne Aufforderung und ohne Ankündigung ein Kreis geformt. Einer der Performer sucht tanzend und sich dabei drehend einen Ausweg aus dem menschlichen Gebilde, das sich immer enger zusammen zieht und ihn schließlich doch entlässt. Schon im nächsten Moment hat sich der Kreis als Form schon wieder aufgelöst. So unauffällig wie er sich eben noch formierte, so einfach und unaufgeregt fließend sind die Übergänge zwischen den einzelnen Formen. Wo die Performer*innen eben noch eine Diagonale bildeten, an der entlang sich die Protagonisten wie in einer stillen Übereinstimmung neu abzugrenzen suchten, da ist längst ein neuer Block entstanden, der auch die Gefühle bündelt.

Wo nur kommen die vielen Hände her, die sich in diesem Gefühlsblock zeigen? Es scheint, als solle die Headline überwunden werden und für obsolet erklärt werden. Deshalb kommt, angetrieben vom sich steigernden Live-Sound von Szymon Wojcik  (nach Motiven von Franco Mento) mit dem lauten Beat auch wieder mehr Tempo in die Szenerie. Jetzt sind auch wieder persönliche Begegnungen möglich, die ganze Bühne scheint in Bewegung geraten zu sein.

Mit choreografischer Feinfühligkeit hat Rafaele Giovanola mit einem wesentlichen Schritt für eine Neu-Orientierung gesorgt: der Blick der Tänzer*innen geht jetzt ins Publikum, dass sich dadurch auch „mit genommen“ fühlt. Und dieser Wandel ist keineswegs unwesentlich, wie der fulminante Schlussapplaus zeigt.

Premiere war am 1.Juni – Weitere Aufführungen Fr 02. Juni 2023, 19 Uhr – Sa 03. Juni 2023, 19 Uhr und Fr 17. Juni 2023, 19 Uhr

GOGOGO-Junior-Company-Bonn-©Christian-Oeser

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