WTF?!

El Cuco Projekt locken bei „tanz nrw 21“ den Zuschauer in eine Falle

von Rico Stehfest

Würde David Lynch mal zur Abwechslung einen optimistischen, hellen Film drehen wollen, bei Sonia Franken und Gonzalo Barahona könnte er sich jede Menge Ideen holen. „El cuco“ nennt sich ihr künstlerischer Zusammenschluss. Man hat also die Wahl: Kuckuck oder Narr. Beide Wortbedeutungen sind legitim. Hilft das weiter? Vielleicht. Als Teil der „tanz nrw 21“ zeigen die Künstler, wo die Grenzen von Tanz liegen und dass diese einfach keine Rolle spielen.

Was tun die beiden Performerinnen Carla Jordão und Jimin Seo hier? Schwer zu sagen. Da ist ein menschlicher Körper mit dem Kopf einer Echse. Die Handkamera kommt dieser „Echse“ ganz nah. Welch schöne Naturdoku. Aber bereits die Soundcollage lässt wissen: nicht nur halb Mensch, halb Tier. Auch halb Natur, halb Kunst. Oder so. Möglicherweise. Eventuell. Was erst noch „tierisch“ daherkommt, weicht einer Art experimenteller Konstellation, einer Versuchsanordnung, die sich mit den Assoziationsbereichen Physik und Schwerkraft ein „objektives“ Deckmäntelchen umhängt, das ganz klar Verwirrung stiften und ablenken soll. Wovon aber? Wie gibt man wieder, was diese Arbeit zeigt? Es ist ein Mensch oder ein menschlicher Körper mit dem Kopf einer Echse, der einen Wohnraum betritt. Die Blume, vielleicht selbstgepflückt, wird sorgsam in die blaue Vase auf der Kommode gegeben. Dann wird der Schirm ausgeschüttelt, in den Schirmständer gegeben und … alles ganz banal.

Nicht wirklich. Die zwei Wände, aus denen der Raum besteht, enden „abrupt“: Die an den Wänden hängenden Bilder sind zur Hälfte abgeschnitten, als wäre dieser „Raum“ irgendwann mal größer gewesen. Das ist im Prinzip schon alles. Und dann läuft das noch mal ab. Und noch mal. Und noch mal. Aber nicht in identischer Weise. Hier grüßt kein Murmeltier. Die Vase „kippt“ immer weiter von der Kommode, physikalisch unmöglich, vervielfacht, irreal. Und das ist nicht das einzige Detail, das sich, ganz klein, beständig verändert.

.

Just-before-Falling_-El-Cuco-Projekt_-Screenshot

Just-before-Falling_-El-Cuco-Projekt_-Screenshot

Es ist beeindruckend, wie ernst Ironie transportiert werden kann. Diese ganze Arbeit nimmt sich vordergründig so ernst, dass man fast übersehen könnte, wie sie dem Zuschauer eine lange Nase dreht. Der Zuschauer hat hier nichts zu sagen. Erwartungen werden permanent unterlaufen. Entsprechend wirkungsvoll fallen die immer wieder eingebauten, sehr langen Blacks aus. Das verstört aber nicht. Das scheint a-sinnig. Aber ist es absurd? Gar grotesk? Leer ist es nicht. Vielmehr extrem verdichtet. Ein bisschen, doch, ja, das darf gesagt werden: kafkaesk, so nüchtern erscheint dieses widermenschliche Universum, das den Menschen vorzuführen scheint. Des einen Alptraum, des anderen Wunschtraum. Hier zeigt sich eine künstlerische Offenheit den Träumen gegenüber, die wir nicht verstehen. Es ist eine Art Bereitschaft, zuzulassen, dass die Dinge keinen Sinn ergeben. Vielleicht. Vielleicht ist es aber auch ganz anders. Da es hier keine urteilende Instanz zu geben scheint, ist der Begriff des „Non-Sense“ illegitim. Wer hier ein Urteil fällt, hat dieses Spiel nicht begriffen.

Just-before-Falling_-El-Cuco-Projekt_Foto-Julia-Franken

Just-before-Falling_-El-Cuco-Projekt_Foto-Julia-Franken