Richard Siegal bringt neben den zwei Repertoirestücken „BoD“ und „Unitxt“ auch eine Welt-Uraufführung mit nach Köln gebracht: „Made for Walking“

 

Kritik | Nachtkritik von KLAUS KEIL

Nach seiner Stipp-Visite in der letzten Spielzeit mit nur einer Vorstellung ist der Choreograf Richard Siegal mit seiner Kompanie BoD jetzt endlich in Köln angekommen. Auf drei Jahre ist die Kooperation zwischen München und Köln angelegt. Schauspiel-Intendant Bachmann schießt aus seinem Etat einen großen Anteil der dafür nötigen Mittel bei. Ein schönes Bekenntnis zum Tanz.

An drei Abenden (noch bis 24. Februar) präsentiert Siegal unter dem Titel „On Body“ einen dreiteiligen Tanzabend im Depot 1, der das Kölner Publikum mit seinem Tanzstil bekannt machen soll. Es wird wohl erwartet, dass diese Städte-Kooperation München – Köln die Basis für den Tanz in Köln erweitern und sichern kann. So herzlich, wie die Kompanie gestern Abend von den Kölnern gefeiert wurde (alle drei Stücke erhielten anhaltenden Applaus), ist diese Annäherung gut gelaufen. Dafür hat Siegal neben den zwei Repertoirestücken „BoD“ und „Unitxt“ auch eine Welt-Uraufführung mit nach Köln gebracht: „Made for Walking“, ein Stück für vier Tänzerinnen/Tänzer. Das Tanzstück „BoD“ ist gewissermaßen, wie Siegal sagt, die Signatur der Kompanie. Hier stellen sich die Tänzerinnen und Tänzer in ihrer Individualität vor. Deshalb heißt dieses Stück auch so wie die Kompanie selbst, BoD: Body of Difference.

©Ray Demski

Es gibt Momente in Siegals Stücken, insbesondere in BoD, da scheint sich der gesamte Kosmos in der Choreografie zu spiegeln. Dann vereinigen sich auf subtile Weise – besonders für den, der offen dafür ist – die akustischen mit den gestalterischen Momenten; die Bewegungen des Körpers mit den Erfahrungen der eigenen Geschichte. Gleich zu Beginn von „BoD“ ist solch ein Moment, der den Zuschauer mit seinen zirpenden und zwitschernden Klängen, dem Pfeifen und Glöckeln und aus der Tiefe aufsteigenden Bässen in eine archaische Welt versetzt. Die in Form und Farbe extravaganten, ja auch absurden aufblasbaren Kostüme von Chromat – Becca McCharen verstärken diese Gefühl, hier einer anderen Welt zu begegnen. In ihr bewegen sich alle Tänzer scheinbar beziehungslos durch den Raum, jeder auf seine Weise. Ein freakiger Typ setzt zu unerwarteten Pirouetten an, springt in angedeuteten Grand Jetes über die Bühne. Am Rand stehen wie in sich versunken zwei Tänzerinnen mit wippendem Hintern nebeneinander. Zwei Tänzer erobern mit martialisch anmutenden Sprüngen die Bühne. In einer Viererreihe wird ein Schubs nach vorne durchgegeben, sehr komisch. Dieses „Durcheinander“ strahlt dennoch eine unerwartete Harmonie aus, so dass dieses Bewegungschaos schon wieder als (abstrakte) Ordnung wahrgenommen werden kann. Und dieses „Gefühl“ der Ordnung, der Gemeinschaft und Einheit kann an jedem beliebigen Moment der Inszenierung von Jedem ganz individuell erfahren werden. Siegals „BoD – Ballet of Difference“ macht dem Zuschauer damit ein ungewöhnliches Angebot.

©Ray Demski

Zwar sind die Stücke dieses Abends in überschaubarem zeitlichen Rahmen entstanden, doch scheint Siegal seine Inszenierungsweise, die ganz eng mit dem musikalischen Part einer Choreografie verwoben ist, experimentiell noch erweitern zu wollen. Unterschiede, Differenzen, aufgreifen und begreifen zu wollen, die Heterogenität des Lebens in all ihren Ausprägungen anzuerkennen und die Gemeinschaft in den Mittelpunkt zu stellen, ist sichtbar Siegals Anliegen. In „Made for Walking“ geht er noch einen Schritt weiter. Mit dem Komponisten Lorenzo Bianchi Hoesch hat er dazu einen „musikalischen Parcours“ entwickelt, auf dem die Tänzer mit ihrem Körper, mit Tanz und Bewegung nicht nur selber auch einen Teil des Sounds erzeugen, sondern dieser Sound auch in der Bewegung sichtbar ist. Eine großartige Idee, denn die Körper der Tänzerinnen und Tänzer werden damit in doppelter Hinsicht künstlerisch-gestaltendes Subjekt der Inszenierung. Seine Inspirationen für den musikalischen Part fanden Choreograf und Komponist in afrikanischen Rhythmuskulturen. Vielleicht tragen die drei Tänzerinnen und der Tänzer deshalb sandfarbene lange Kleider, die an Wüste und Einsamkeit erinnern. Ihre Füßen stecken in klobigen, schweren Arbeitsschuhen: ihre „Instrumente“ für den trampelnden Rhythmus, der die Choreografie durchzieht. Instrument ist aber auch der Körper, sind die Hände, mit denen sie klatschend Bewegung und Klang zusammen bringen.

Richard Siegal hat mit „Made for Walking“ ein kleines, konzentriertes 20-Minuten-Stück für vier Tänzer geschaffen, dessen Qualität auch in dieser Begrenzung liegt.

©Ray Demski