Das Programm „Second Nature“ des NDT im Theater Heerlen
Die zweite Natur wächst im Schatten
Kurze Nachtkritik von Melanie Suchy
Bevor das Schrittmacher-Festival in Aachen mit dem italienischen Spellbound Contemporary Ballet den Vorhang für ein Jahr fallen lässt, lud es sich nach Heerlen das Nederlands Dans Theater als dortigen krönenden Abschluss ein. Dass das große Haus bis auf den letzten Platz besetzt war, braucht bei dem Zuschauerzuspruch des Festivals nicht extra erwähnt zu werden. Aber die Krone war nicht aus reinem Gold.
Das NDT fuhr seinen nagelneuen Dreierabend namens „Second Nature“ nach Heerlen, der am 21. März in Den Haag Premiere gehabt hatte und seitdem in den Niederlanden tourt. Es sind drei zwanzig- bis dreißigminütige Werke, eines davon, das mittlere, eine Uraufführung.
Für die Eleganz, den NDT-Glanz, den man kennt, stand am ehesten „Solo Echo“. Die Kanadierin Crystal Pite, seit Jahren assoziierte Choreografin der Kompanie, hatte es 2012 geschaffen. Es ist das Stück mit dem Schnee. Er schwebt im Hintergrund der Bühne ununterbrochen herab, leuchtend, als falle die Milchstraße da still zu Boden. Während ein einziger Mensch im Halbschatten steht, eine Skulptur der Ewigkeit. Plötzlich springt er in den Fluss der Zeit, legt los mit kompliziertestem Ballett, das zwar mal eine Arabeske aufbaut, blitzartig, aber sich vom aufrechten Stand des Klassischen weit entfernt hat; zumal hier viel auf Knien getanzt wird, auf halber Höhe, und das Tempo so rasch ist, dass der Blick Details kaum mehr erhaschen kann. Das gilt für den gesamten ersten Satz von „Solo Echo“, bei dem der erste Mensch, ein Mann, schnell Gesellschaft bekommt, eine Frau: Die zwei berühren einander sogar kurz, Hand an Hand. Dann kommen andere, anderes.
Das Prinzip ist die kurze Begegnung, meist von zweien, manchmal springt jemand hinzu, ändert die Ordnung. Mit rasend schnellen Worten sprechen sie sich diese Sternschnuppen tänzerisch ab, jedesmal anders, mal mehr im Einvernehmen, ein andermal kämpferischer, drängelnder, zerrender. Und schon wieder vorbei. Gerenne, Gerenne. Zu dem traumhaft schönen Allegro aus der Brahms-Sonate in e-moll für Cello und Klavier, den immer wieder aufsteigenden Tönen, zeigen diese eiligen Menschlein mit ihren kristallin eckigen, alleskönnenden Körpern, wie einsam sie bleiben, wenn sie aus Furcht vor dem Schmelzen kalte Luft atmen und umarmen.
Im zweiten Teil, zum Adagio Affettuoso aus der F-Dur-Sonate, wird es anders; da kleben die Individuen zusammen…
Mehr dazu und zu „Bedroom Folk“ von Sharon Eyal und Gai Behar sowie zur Uraufführung von „Take Root“ vom Geschwisterpaar Imre und Marne van Opstal: Morgen mittag hier