PARTY MIT DEM TOD

NACH DEM RESTLOS AUSVERKAUFTEN UND BEGEISTERT GEFEIERTEN GASTSPIEL AUF DEM TANZ.TAUSCH FESTIVAL DREI TAGE ZUVOR IN KÖLN, GASTIERTEN SIE NUN  IN BONN BEIM FESTIVAL „INTO THE FIELDS“: NIR DE VOLFF | BERLIN | ISRAEL IM THEATER IM BALLSAAL MIT „DANCING TO THE END“ –

NACHTKRITIK VON THOMAS LINDEN

Große Erwartungen knüpften sich an das Gastspiel von Nir de Volff, dem in Tel Aviv geborenen Choreographen, dessen Produktionen derzeit die Berliner Szene elektrisieren. Schon der Titel „Total Brutal – Dancing to the end“ lässt eine martialische Performance erwarte, die sich den Tod als Sujet gewählt hat. Brutal geht es aber gar nicht zu, es ist eher eine beißende Ironie, die Nir de Volff mit einem Bühnenbild vorgibt, dass rote und schwarze Luftballons als makabre Party-Dekoration bietet. Wie gehen wir mit dem Tod um, wie setzen wir ihn ins Bild? Das sind die Fragen, die Nir de Volf anhand von Robert Capras Foto eines sterbenden Brigadisten im Spanischen Bürgerkrieg, an Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“ und der Tanz-Ikone des sterbenden Schwans anvisiert.
Das Unbegreifbare wird in Kitsch und Kommerz gegossen, wir laben uns an seinem Anblick und seinen Mythen, die hier von Kurt Cobain bis Amy Winehouse zitiert werden. Nir de Volff arbeitet mit Masken, Bildern, Text und mitunter fulminant auftrumpfenden Tanzpassagen, in denen Chris Scherer und vor allem Katharina Maschenka Horn zeigen dürfen, was sie als Performer und Tänzer zu bieten haben.

Allerdings kehrt die Kompanie immer wieder zur galligen Kommentierung der Sentimentalität und dem falschen Pathos zurück, mit dem die Realität des Todes überzuckert wird. Wieviel Lüge steckt darin? Eine Frage, die uns Nir de Volff zu beantworten gibt. Er selbst ist sich der Attraktivität seines Sujets überaus bewusst und führt die eher eklektisch angelegte Produktion in ein temporeiches Finale, das auf die Bilder aus dem Clip zu Michael Jacksons „Thriller“ setzt, und von dort auf die Bühne überspringt. Dann erfahren wir auch, dass sich schwarze Flüssigkeit in den Ballons der Party-Landschaft befindet, die jetzt die Körper des Choreographen und seiner beiden Tänzer knallig besudelt.

Auffallend ist die Ähnlichkeit dieses Bühnen-Happenings mit dem Finale  der Produktion „Jewrope“ der Kölner Kompanie bodytalk. Auch dort geht es um den Tod und die Frage, wie wir ihn im Zusammenhang mit dem Holocaust kommunizieren. Bodytalk kommentiert aber nicht alleine Phänomene mit bösem Spott, sondern übersetzt sein Thema in spielerische Sequenzen und Metaphern, die auf den doppelten Boden unter der Wirklichkeit verweisen.  Gleichwohl demonstriert „Total Brutal“ einmal mehr, wie fruchtbar und spannend der Tanz sein kann, wenn er sich in die Tabubereiche unserer Epoche hinein wagt.