©TANZweb_Kölns engagierte Kulturamtleiterin Barbara Foerster während einer Diskussion, in der sie sich für die Einführung von Mindestlöhnen in der Freien Kultur einsetzte

 

ERST DIE FREUDE

DANN BESORGNIS

 

INTERVIEW MIT DER LEITERIN DES KÖLNER KULTURAMTS BARBARA FOERSTER ZU DEN KONSEQUENZEN DES DERZEITIGEN HAUSHALTSSTATUS DER STADT KÖLN FÜR DIE FREIE KULTURSZENE

Zuerst war die Freude in der Freien Kulturszene Kölns gross: Der Rat der Stadt Köln hatte am 30.Juni beschlossen, die Mittel für die Freie Kulturszene Kölns im Jahr 2016 um 200.000 Euro und im Jahr 2017 um dauerhaft Eine Million Euro aufzustocken. Doch nur wenige Tage später war in den Tageszeitungen zu lesen, dass der eben erst beschlossene Doppelhaushalt der Stadt überhaupt nicht genehmigungsfähig sei, da hierfür der Jahresabschluss 2014 Voraussetzung gewesen wäre. Dieser soll aber laut Oberbürgermeisterin Reker erst im Dezember 2016 vorliegen. Die Folge hieraus: die Stadt darf in erster Linie nur ihren „Pflichtaufgaben“ gerecht werden, alle „Freiwilligen Aufgaben“ bedürfen der genauen Überprüfung, „Neue Aufgaben“ sind in einem solchen Status nahezu Tabu.
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©TANZweb.org_Freie Tanzszene Köln: MD Kollektiv_konzeptionsgefördert von der Stadt Köln_One Week Stand

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Angesichts dieser Meldungen in den Tageszeitungen erreichten uns  immer wieder besorgte Anfragen bezüglich der städtischen Förderungen für das Jahr 2016. Aus diesem Grund baten wir die Kölner Kulturamtsleiterin, Frau Barbara Foerster, um ein Interview zu diesen Fragen, das wir hier im Folgenden abdrucken:
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Frau Förster, was bedeutet denn ein  „nicht genehmigungsfähiger Haushalt“, wie er in den Tageszeitungen tituliert wurde, konkret für die Antragsteller aus der Freien Kulturszene, die nicht den Status einer mehrjährigen Konzeptionsförderung genießen?

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Hier kann ich nur wiederholen, was dazu bereits mehrfach gegenüber der Presse angemerkt wurde. Späte Haushaltsgenehmigungen hatten wir in Köln in den vergangenen Jahren immer. 2015 wurde der Haushalt im November genehmigt. Die Entscheidung für den Doppelhaushalt dient gerade dazu, für 2018 Luft für eine frühe Einbringung des Haushaltes zu schaffen. Die Verwaltung der freiwilligen Aufgaben wie die Auszahlung der Zuschüsse für die freie Kulturszene erfolgt über Abschlagszahlungen nach Prüfung der Unabweisbarkeit der Projekte. Damit gehen wir im Kulturamt verantwortungsvoll um und tun alles, damit kein Projekt gefährdet ist.
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Müssen mehrjährig Projektgeförderte mit dem Verlust ihrer Zuschüsse für  2016 rechnen, evtl. auch „nur“ mit prozentualen Einbußen, oder werden diese zu 100 Prozent ausbezahlt?
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Eine vollständige Sicherheit gibt es wie jedes Jahr erst nach Haushaltsgenehmigung. Bis dahin gelten die bereits verschickten Absichtserklärungen oder Bewilligungsbescheide, die keine Einbußen vorsehen.


©Meyer Originals_ Freie Tanzszene Köln: Reut Shemesh_Before Morning

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Die Sprecher des KulturnetzKöln verbreiteten in der Kölner Kulturszene die Nachricht, „dass für die Freie Szene noch dieses Jahr 200 Tausend Euro vom Rat der Stadt zugesetzt wurden und nächstes Jahr – sowie die folgenden Jahre – eine Million € Verstärkungsmittel für die Freie Szene.“ – Dies wäre ja ein großer Erfolg auch für das Kölner Kulturamt und sicherlich auch für Sie persönlich, zu dem wir nur gratulieren können. Anhand der uns vorliegenden Haushaltsvorlagen 2016 und 2017 sind diese genannten Zahlen nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Wo sind diese Zahlen im Haushaltsentwurf ablesbar?

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Die Zusetzung von Budget für die Förderung der freien Szene ist großartig. Sie ist in der Tat ein wichtiges politisches Signal, wie hoch die Arbeit und das Angebot der freien Kulturszene für die Bürgerinnen und Bürger in Köln geschätzt werden. Und ich sehe dies ebenfalls als große Wertschätzung der aktuellen Arbeit des Kulturamtes. Es macht sich bezahlt, dass wir in allen Sparten in Kommunikation mit der Szene Förderkonzepte entwickelt haben, die klar formulieren, nach welchen Zielen, Schwerpunkten, mit welchen Förderinstrumenten und nach welchem Vergabeverfahren die Freie Kunst in Köln gefördert werden soll. Das schafft Transparenz, Vertrauen und Verbindlichkeit. Bei Zusetzungen weiß die Politik, diese Verbindlichkeit zu schätzen. Der politische Veränderungsnachweis, in dem die Zusetzungen enthalten sind (im Rat am 30.6. beschlossen) nimmt deshalb auch ganz konkret Bezug auf die Förderkonzepte.
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Kann dieses Vorhaben der Aufstockung denn unter den gegebenen Umständen für 2016 noch realisiert werden und wenn ja, wie?

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Wir sind gerade dabei einen konkreten Vorschlag für die Verplanung der zusätzlichen Mittel 2016 und 2017 zu formulieren. Grundlage dafür ist die weitere Umsetzung der Förderkonzepte in allen Bereichen. Unseren Vorschlag werden wir mit der Politik nach der Sommerpause besprechen. Unser Ziel ist es, die zusätzlichen Mittel 2016 an die freie Szene auszuzahlen. Der Bedarf ist ja keine Hypothese, sondern real.
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Müsste aus Ihrer Sicht nicht dringend das bestehende Tanzförderkonzept der Stadt erweitert werden (Stichwort „Institutionelle“ und „Ensemble“ Förderung, Mindestlöhne im Tanz), damit die Sparte Tanz sinnvoll an dieser geplanten Erhöhung partizipieren könnte? Wie sehen hier die kurz- und mittelfristigen Planungen aus?
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Da kann ich nur meine letzte Antwort modifizieren. Auch im Tanz planen wir Mittelzusetzungen, Grundlage ist für uns auch hier das Tanzförderkonzept weiter umzusetzen.

©Meyer Originals_Freie Kölner Tanzszene: Darstellerpreis der SK Stiftung Kultur für Caroline Simon_Subtexten_konzeptionsgefördert der Stadt Köln: Silke Z. resistDance

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Im bestehenden Tanzförderkonzept der Stadt heißt es: „…Ohne die Schaffung eines eigenen Kölner Tanzhauses in der Größenordnung der beiden anderen NRW Tanzzentren ist das angestrebte Niveau indes nicht zu erreichen, da die Kölner Szene im NRW Vergleich und auch darüber hinaus nicht konkurrenzfähig sein wird…“ Wie sehen hier die Planungen aus?

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Die Tatsache, dass der freie Tanz in Köln eine größere Bühne braucht, ist in der Stadt allen bewusst – dies steht bereits im Kulturentwicklungsplan und eben auch im Förderkonzept. Dass es also nicht reicht, bestehende freie Strukturen auszubauen, ebenfalls. Welches langfristige Ziel hier konkret verfolgt werden soll und was auf dem Weg dorthin mittelfristig schon verändert werden kann, muss Thema der Fortschreibung des Kulturentwicklungsplans sein. Ich halte es für sehr wichtig, dass der freie Tanz in Köln bereits in den nächsten Jahren zeigen kann, wieviel Qualität und Potenzial in ihm steckt. Dafür braucht er eine größere Bühne und Budget für Produktionen. Zurzeit kann der freie Tanz sein Besucherpotenzial gar nicht ausschöpfen. Das ist sehr bedauerlich. Denn dem Tanz gelingt es, den Zuschauer sehr direkt und unmittelbar zu erreichen. Und das muss doch städtische Kulturförderung wollen, so viele Bürgerinnen und Bürger wie möglich für Kunst zu begeistern.
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Im Jahr 2022 wird aller Voraussicht nach in Wuppertal das Pina Bausch Zentrum eröffnet, dass von Bund, Land und Stadt gemeinsam getragen werden soll und das sich potentiell, neben den beiden Tanzzentren NRWs, Tanzhaus NRW in Düsseldorf und PACT Zollverein in Essen, zum ersten nationalen Zentrum für Choreographie mit Standort in NRW entwickeln könnte. Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass das Land NRW zusätzlich noch ein Tanzhaus, in ähnlicher Größenordnung wie in Düsseldorf oder Essen, in der Stadt Köln mittragen wird? Oder ist Köln nicht gut beraten, hier von Beginn an einen „Sonderweg“ zu gehen, und wie sähe dieser möglicher Weise aus?

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Hier hat das Land stets klar gegenüber Köln kommuniziert. Wenn die Kommune Köln eine klare Vorstellung darüber hat, welchen Weg sie gehen will, ist das Land für Gespräche offen.
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Gestatten Sie uns bitte noch eine weitergehende Frage außerhalb des Themas: Oberbürgermeisterin Reker hat im Zuge der Ankündigung einer Verwaltungsreform die Kölner Verwaltung, der sie selbst bis zu ihrer Wahl als Oberbürgermeisterin angehörte, scharf kritisiert, was von Vielen als äusserst unfairer Akt aufgenommen wurde. Wie konstruktiv schätzen Sie die Kritik von Oberbürgermeisterin Reker an  der Verwaltung ein? Welche Chancen ergeben sich hieraus?

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Der Prozess der innerstädtischen Fehlerkultur ist mit der Ankündigung einer Verwaltungsreform nun angestoßen.
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Frau Foerster vielen Dank für das Interview.

LINK ZUM DOWNLOAD DER RATSINFORMATION

©TANZweb.org_Freie Tanzszene Köln_konzeptionsgefördert: Stefanie Thiersch MOUVOIR_FOR FOUR