©Joris Jan Bos

Licht in die Finsternis

Kurze Nachtkritik der Solo-Performance AUREA
Von Klaus Keil

Vor zwei Stunden endete in der Alten Feuerwache Köln mit AUREA ein grandioses Solo-Tanzstück, das der Choreograf Emanuele Soavi in Zusammenarbeit mit Susanne Linke, der Grand Dame des zeitgenössischen Ausdruckstanzes erarbeitet hatte.

Eine schwarze leere Bühne. Seitlich ein Haufen Blätter, geknüllte Papierblätter, wie man noch erkennen wird. Darüber eine Leuchte. In ihrem diffusen Licht aber erscheint der Haufen vielfältiger. Es könnte ein Haufen Kompost sein, Treibmittel neuen Lebens. Oder ist es doch ein Grabhügel, Sinnbild der Vergänglichkeit?

Stille auf der Bühne. Minutenlang scheint nichts zu passieren. Nur Stille. Doch die Performance ist längst im Gange. Dann, ein leises Knacken, wie das Knacken von Zweigen, das aufhorchen lässt. Alle Blicke suchen nach einer Bewegung als der Ursache des Knackens. Doch wieder nur Stille. Langsam, unendlich langsam schält sich aus diesem Haufen eine dunkle Gestalt, die eins war mit Boden und Material. Ihre Bewegungen lassen sie als Mensch erkennen. Der windet sich, streckt seine Gliedmaßen, kommt in die Hocke, streckt einen Arm langsam in die Höhe, und mit der gleichen Langsamkeit steigt die Leuchte über Haufen und Mensch und verbreitet jetzt ihr ganzes Licht. Licht, das diesen Körper belebt, der sich weiter streckt und dehnt und dabei Figuren gestaltet, die einen Moment stehen bleiben, bevor seine Arme wieder wie Tentakel suchend nach neuen Formen in die Höhe gehen. Diese minimalen Bewegungen gewinnen durch ihre Langsamkeit eine unglaubliche Intensität, die Blicke und Aufmerksamkeit auf frappierende Weise bindet.

Es sind solche Momente tänzerischer Ausdrucksstärke, in denen die Kollaboration mit der Choreografin Susanne Linke sichtbar wird.

„Und die Erde war wüst und leer und es war finster auf der Tiefe“, so beginnt die Genesis im ersten Buch Mose. Für den Choreografen Emanuele Soavi, der hier auch tanzt, waren diese ersten Zeilen der Bibel „Inspirationsquelle und Ausgangspunkt“ für diese Solo-Performance, die ihn wieder einmal als einen der besten und ausdrucksstärksten Tänzer der Kölner Tanzszene zeigt. AUREA ist ein starker Einstieg in ein auf Jahre angelegtes Tanz-Recherche-Projekt mit dem Titel THE HABIT CYCLES.

Warum gerade AUREA, besser: Sectio Aurea, oder noch besser auf deutsch: der Goldene Schnitt, diesem Tanzstück den Titel gab, das können Sie morgen Mittag an dieser Stelle lesen.