©Djana Lothert

ZU SEHEN IN DER REGION: In Bonn im Rahmen des Beethoven-Fest 2015; am 1. und 2. Oktober

 

BERLINER PREMIERE: “BRONZE BY GOLD”

mouvoir – Stephanie Thiersch

Scheitern auf niedrigem Niveau

von
Klaus Keil

Mit „Bronze by Gold“ setzt die Choreografin Stephanie Thiersch ihre musikalisch-choreografische Kooperation mit dem Asasselo-Quartett fort. Dem im Frühjahr produzierten und vom Rezensenten als “missglückt” beschriebenen  „For four“, folgte nun diese neue Produktion mit Tänzern des Darmstädter Balletts.

Am Tag zuvor, im Haus der Berliner Festspiele, bei den immer noch erstaunlich ideenreichen (und hervorragend getanzten)  Stücken der kanadischen Choreografin Marie Chouinard, wurden vorsichtshalber Ohrenstöpsel verteilt. Kaum einer nutzte sie. Am Tag danach, im Radialsystem V, bei der Premiere von „Bronze by Gold“ der Kölner Choreografin Stephanie Thiersch hätte man gern welche gehabt. Bis auf einige stille Phasen herrschte nämlich ein infernalischer Lärm, den als „Musik“ zu bezeichnen ein Euphemismus wäre. Dabei sollte doch das Asasello-Quartett mit Beethoven und Illés wenigstens musikalische Schönheit zum Abend beitragen.Daraus wurde nichts. DJ Elephant Power hatte die Regie übernommen, das Asasello-Quartett ging darin unter wie die Fiedler auf der Titanic. Also scrachte der DJ auf Deubel komm raus mal allein, mal mit dem Quartett und mal ergänzt vom Geschrei der Performer quer durch die elektronische Musik: eine Kakophonie des Unsinnlichen, ja, des Absurden.

Das hätte man sicher noch verschmerzen können, war man doch hauptsächlich wegen des Tanzes und der Choreografie eines Stückes mit dem vielversprechenden Titel „Bronze by Gold“ gekommen. Doch schon nach wenigen der ermüdend langen achtzig Minuten des Stückes war klar, dass auch die Choreografie kein strukturierendes Element werden konnte. Denn auch die Choreografin scrachte in einem Bewegungspool, in dem sich nicht nur überflüssige, sondern auch banale, unsinnige, alberne, nichtssagende Bewegungen befanden – nur leider kein Tanz. Das empfanden wohl auch eine Handvoll Zuschauer so, die erkenntlich vor dieser unsinnlichen Bewegungsorgie flohen.

So torkelten, stolperten, stürzten, zuckten, rasten oder zappelten die Performer oft orientierungslos wirkend über die Bühne, fanden offensichtlich nur Halt, wenn sie sich zum wiederholten Male zu einer amorphen Masse fanden, einem Leiberklumpen, in dem sie sich gegenseitig stützen konnten, um gleich wieder auseinander zu streben. Dann wieder erstarren sie zu Standbildern, deren Sinn sich nicht erschließt.

Folgt man den Erläuterungen des Programms, soll dieses Bewegungschaos wohl eine sich im Umbruch befindliche Gesellschaft darstellen, wobei es eine Sache ist, dies inhaltlich auf die Bühne zu bringen. Doch das nach der Chaosforschung immanente ordnende Element in eine tänzerische Performance, sprich: Choreografie umzumünzen, ist eine ganz andere Sache. Da helfen auch die Phrasen des Programmheftes nicht weiter, in dem von „postapokalyptischen Umklammerungen“ gefaselt wird, oder von „prä-apokalyptischen“, bei denen „ein Ende … nicht in Sicht ist“ (Programm-Zitate). Von Stil und Rhythmus, die sich verflechten, ist dort die Rede – doch was findet sich denn davon auf der Bühne wieder? Welcher Stilrichtung sind denn diese prä- und postapokalyptischen Bewegungen zuzuordnen?

Auch inhaltlich erweist sich dieses Stück als reine Behauptung, wenn nicht gar als Mogelpackung: „Bronze by Gold“ ist ein Zitat aus James Joyce´s Ulysses. Es bezieht sich auf das bronzene und blonde Haar zweier Bardamen, die, ergänzt um eine Prostituierte, als Sirenen unverkennbar an Homers Irrfahrten des Odysseus erinnern und Joyce zu einem großartigen assoziativen Gedankenstrom führen. Gespannt hatte man erwartet, dass dieses vielfältige literarische Beziehungsgeflecht Stephanie Thiersch zu einem choreografisches Ideen-Feuerwerk inspirieren würde – doch das blieb aus. Mangels Erkenntnis oder mangels Fähigkeit? Mehr als ein mageres Sirenengeheul im Stück erinnert nicht an Joyce. Zurück bleibt die Enttäuschung über vertane Chancen und nicht eingelöste Versprechungen, die der Titel suggeriert.

Höchst bedauerlich, dass ausgerechnet der Kölner Beitrag von Stephanie Thiersch sowohl technisch wie inhaltlich den Tiefpunkt dieses Festivals darstellt, der im Umfeld hochkarätiger, auch experimenteller Tanzstücke eines Tao Ye, einer Marie Chouinard und gar einer Lucinda Childs schmerzlich und unübersehbar zu Tage tritt.

In Bonn im Rahmen des Beethoven-Fest 2015; am 1. und 2. Oktober